»Hallo, kommen Sie doch mal näher …!«
Mikromagie am Wegesrand
Vor einigen Wochen war ich mal wieder mit dem Rad unterwegs. Gestartet in einer größeren Gruppe, verloren wir uns irgendwo zwischen Wäldern und Feldern und auch ich rollte irgendwann alleine über staubige Feldwege. Aber darüber will ich gar nicht schreiben, sondern über Begegnungen. Begegnungen auf Fahrradfahrten, mit fremden Menschen am Wegesrand. Im Laufe der Zeiten ist mir bewusst geworden, dass diese flüchtigen Zusammenkünfte doch oft eine besondere Magie inne haben, eine Mikromagie.
Meine erste Begegnung dieser Art war vor vielen Jahren in Norwegen. Ich war aus verschiedenen Umständen alleine unterwegs. Wie ich unterwegs erst feststellte, war es überhaupt auch das erste Mal in meinem Leben, dass ich alleine auf einer Reise war. Und dann noch auf dem Fahrrad im norwegischen Outback. Vielleicht war es auch dieser Premiere zu verdanken, dass ich einfach so losgefahren bin in Oslo. Schon am zweiten Tag, die norwegische Sonne brannte unerbittlich am wolkenlosen Himmel, wurde ich auf die Probe gestellt. Alle hatten mich gewarnt vor den Wettern im Norden, vor fiesem Regen und düsteren Tagen in den Bergen. Vermutlich meinten die ein anderes Norwegen – bei mir war es jedenfalls toskanisch heiß. Also, am zweiten Tag pedallierte ich auf unendlich langen Schotterpisten (Gravel) durch unendlich große Wälder. Irgendwann kam ich auch nicht mehr durch Dörfer oder Siedlungen. Das letzte Auto hatte ich mich vor Stunden überholt. Und da stellte ich fest, dass meine Trinkflaschen fast leer waren. Vielleicht noch ein, zwei Schlucke. Und genau in diesem Moment lief der Film ab: Alleine in der Wildnis, ohne Wasser mit unendlichem Durst und ein langsamer, qualvoller Tod am Straßenrand. Und genau sieben Augenblicke später sah ich am Waldrand einen alten Fiat parken. Daneben ein Paar beim Picknick. Zwei Augenblicke später waren meine Wasserflaschen wieder köstlich gefüllt. Dazu wurde ich noch mit anerkennenden Worten und guten Wünschen für meine Reise beschenkt.
An diesen Mikromagiemoment erinnere ich mich immer wieder gerne. Er ist so symbolisch für die Qualität des Reisens auf dem Fahrrad. Du bist niemals alleine. Du triffst immer hilfsbereite und oft auch neugierige und interessante Menschen, die gerne mit Dir diesen kleinen, magischen Moment teilen – wenn Du es denn zulässt.
Und genau darüber, dachte ich wieder vor einigen Wochen nach, als ich ganz im Norden von Deutschland auf verschlungenen Pfaden und abenteuerlichen Schwüngen, in saharaischer Hitze, übers Land kurbelte. Und wie es dann so sein sollte, bemerkte ich, dass ich nur noch ein, zwei Schlucke Wasser in meinen Bidons hatte. Und wie es dann so kam, rollte ich an einem Hof auf einer Anhöhe vorbei. Vor dem Haus, im Schatten einer großen Eiche, saßen drei Frauen auf einer Bank. Ich bremste, es staubte, meine Haut brannte und klebte und ich rief die Anhöhe hinauf, ob die Damen vielleicht Wasser für einen Reisenden hätten. Dabei hielt ich sehr großzügigen Corona Abstand. Eine der Frauen rief ihren Sohn, der mir freundlich entgegen kam. Verschwitztes Death-Metal-T-Shirt, wilde Haarpracht und zwei große Hände packten meine Trinkflaschen und verschwanden im Haus. „Hallo, kommen Sie doch mal näher, damit wir Sie mal richtig ansehen können …!“, rief eine der Frauen zu mir herüber. Ich reagierte verdutzt – dann musste ich lachen. Die vergangenen Wochen und Monate hatten mich wirklich ein bisschen distanziert. Ich wollte doch nur schnell Wasser, keine lange Pausen, ich wollte weiter.
Und da saßen dann diese drei Frauen und schwatzten und lachten mit mir. Wollten wissen, woher ich komme und wohin ich fahre. Und sie erzählten mir von ihrem Wasser, ihrem köstlichen Wasser, dass gerade vom Death-Metal-Sohn abgefüllt in meine Flasche plätscherte. Das ist nämlich sehr gutes Wasser aus einem eigenen Brunnen. Hilde, eine Freundin von Oma, die auch auf der Bank saß, kommt immer mal wieder zu Besuch, nur um sich ein paar Flaschen von dem Wasser abzufüllen, erzählten sie mir. Das Wasser war wirklich göttlich, köstlich und kühl. Wieder wurde ich beschenkt. Mit guten Worten und guten Vibes und frischem Wasser von drei fremden Frauen und einem Death-Metal-Sohn. Wieder ein Mikromagiemoment, denn ich um ein Haar verpasst hätte, weil ich ihn um ein Haar nicht zulassen wollte. Ich tat es und rollte die kleine Anhöhe mit frischen guten Vibes und vollen Wasserflaschen hinab.
KALAMAJA 2001
Bikepacking Hamburg – Tallinn
»Von St.Pauli nach Kalamaja«

Seit ein paar Stunden wieder zurück in Hamburg. zu Hause. Fühle mich, als hätte man mir eine Überdosis einer ziemlich guten Droge injiziert. Nur ohne Spritze und Schmerzen und üble Nebenwirkungen. Nur eine wunderbare Überdosis Bilder und Momente und Gefühle, die sich um meinen Rider-Kern drehen und ich noch nicht so recht sortieren kann. Sortieren. Wir müssen immer alles sortieren und ordnen, aufräumen. Oder?

Ich bin in den letzten acht Tagen sortierte, unsortierte 1890 Kilometer von Hamburg nach Tallinn in Estland gefahren. Irgendwo auf dem Weg durch Deutschland, Polen, Litauen, Lettland und Estland und einen kleinen Zipfel Finnland, habe ich aufgehört zu zählen. Mit jeden Kilometer, mit dem ich mich aus meiner Home-Zone entfernte, kam ich mir näher. Gewollt oder ungewollt. Mit jedem Kilometer entblätterte sich der Rider. Urbane Karosserie-Teile fielen ab, Hüllen, Masken. Im Team war das ähnlich. Wir entfernten uns und näherten uns wieder an. Anders, direkter, offener und schöner. Essentieller. Mit jeder Umdrehung durch Landschaften und Orte, die ich nicht vergessen werde und doch schwer beschreiben kann. Ich fühlte, wie unsere so gut sortierte urbane Welt im Westen, dort draußen, weit im Osten, irgendwo Ihre gelernte Bedeutung verlor. Unendlich stille Dörfer, nur verbunden durch verdorrte , buckelige Feldwege und Gravel-Pisten. Wind rauscht durch die Bäume, Katzen schlafen in der Sonne, Kraniche singen auf den Wiesen und wir reisen durch die Zeit. Alte Audis mit röhremdem Auspuff brettern, Staubfahnen hinter sich herziehend, an uns vorbei. In die Zukunft und auch in die Vergangenheit. Verlassene Häuser auf kleinen grünen Inseln im Meer der Felder und Wälder. Möchte jedes zweite davon adoptieren, besetzen und vor seiner Tür auf den Sonnenaufgang warten. Wir müssen weiter nach Kalamaja. Tankstellen-Croissants und ernste Blicke, wenn wir mit unseren zunehmend verstaubten und vom Regen gesprenkelten Fahrradklamotten zwischen den sparsam dekorierten Regalen hin und her humpeln.
Der Fuß von Kev-Man bereitet ihm Probleme. Wie schon letztes Jahr auf der Saint Mille. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich weiß nur, wie sehr Kev sich auf diesen Trip gefreut hat und wie oft wir geplant und dazu telefoniert haben. F***! Am Nachmittag dann entscheidet Kev sich, auszusteigen. Das ist ein trauriger Moment. Da helfen dann auch nicht irgendwelche „Kopf hoch“ Aufmunterungen mehr. Etwas aufgeben, ist immer hart. Wir rollen weiter.


Das Trackfieber hat uns infiziert. Immer wieder vergesse ich etwas – fahre mit offener Tasche los, vergesse Orte und Namen muss mich konzentrieren, bis sich die Rider-Routine einstellt. Die Überdosis der Sinneseindrücke führt oft zu Sprachlosigkeit, in der wir dann stundenlang ohne Wortwechsel oder mit nur ein paar „Links“, „Rechts“ und „Vorsicht Schlagloch“, Kilometer um Kilometer auf die lange Kalamaja-Kette aufreihen. Europa ist so herrlich weit und im Osten. Und dann am zweiten Abend schon, sitzen wir in einem abgelegenen Dorf, dass sich auch eine polnische Astrid Lindgren hätten ausmalen können, an einer festlich gedeckten Tafel mit hausgemachten Pirogen und Bier. Drei Stunden vorher wussten die beiden Schwestern, die die Pension in einem kleinen Gutshaus führen, nichts von uns. Jetzt begrüßen sie uns, wie Freunde und bereiten uns einen unvergesslich schönen Abend. Wir beschließen wiederzukommen – versprochen.
Eine Pannenserie und endlose Baustellen bringen unseren Zeitplan durcheinander. Wir müssen uns entscheiden. Entweder ein Teil der Strecke mit anderen Verkehrsmitteln überbrücken, oder den Track und die Tagesetappen so anpassen, dass wir es bis Samstag doch noch auf dem Rad nach Tallinn schaffen. Das Rider-Kollektiv entscheidet sich in zwei Gruppen weiterzufahren. Ich bin hin- und hergerissen. Denke an Emil, meinen kleinen Sohn, der neulich zu mir sagte, dass er noch mal raus und Fahrradfahren wolle. – „Papa, ich hab’ noch »Flippe« in den Beinen!“ Ich glaube, ich habe auch noch ein bisschen »Flippe« in den Beinen und im Kopf. Harald, Carola, Ingo und ich entscheiden uns den Versuch zu wagen und weiter zu fahren. Die zweite Gruppe will ihre Tagesetappen verkürzen und ein Teil der Strecke mit Bahn und Autotransport überbrücken. Wir vier passen den Track an, rechnen und überlegen und fahren los und Nachmittags reißt dann der Schaltzug an Carolas „Sequoia“. In der nächsten Stadt, in Polen, finden wir zwar eine Fahrradwerkstatt aber keine Hilfe. Der Inhaber, vollgedröhnt mit Led Zeppelin und WD-40, lacht nur und erzählt uns irgendwas auf Polnisch – hat aber irgendwie keine Lust uns zu helfen. Wir helfen uns selbst. Erfolgreich.


Je weiter wir Richtung Osten fahren, desto bescheidener werden die Lebensverhältnisse der Menschen dort draußen auf Ihren dörflichen und kleinstädtischen Inseln. Relikte der betonierten sowjetischen Dominanz verrotten und verblassen im Schatten großer Bäume. Junge Mutter in demoliertem BMW kauft sich Kaffee an einem Hightech-Lavazza-Automaten. Wir hängen in der frühsommerlichen Nachmittagssonne herum und versorgen uns mit Zucker und Flüssigkeit. Headwind, Trucks and Angry Dogs begleiten uns wie ungeliebte Verwandte. Spontane Lachanfälle, wenn uns dann doch mal ein Hund ohne Leine im hechelnden Sprint hinterher läuft. Wir sind froh, dass es sich ausnahmslos um kleine und eher konditionsarme Kläffer handelt. Irgendwo in Litauen fahre ich in den Abendstunden mit einer Team-Einkaufsliste im Kopf ein kurzes Zeitrennen, um den nur bis 20.00 Uhr geöffneten Supermarkt zu erreichen. Eine Stunde später stehe ich glücklich und hungrig mit vier prall gefüllten Einkaufstüten auf dem Parkplatz. Wir feiern eine kleine Gourmet-Party in unserem Appartment.

Im nächsten Supermarkt, vor mir in der Schlange, ein alter Mann. In seinem Einkaufskorb: ein Kohlkopf und zwei Tomaten, für die er wenigstens einen Sticker in sein Rabatt-Heft haben möchte. In meinem Korb ein Berg Junk-Futter für den Rider-Motor. Der Mann hinter mit ist schlau und bespricht mit der Kassiererin seine Taktik, die darin besteht, meinen Einkauf auf seinen Rabattkarte zu buchen. Ich tue so, als wenn ich das nicht bemerke. Ein paar Kilometer weiter, auf einer echt anstrengenden Trail-Piste blockiert plötzlich, mit einem metallischem „Krääänk“, mein Pedal. Diagnose: kleines Kettenblatt gebrochen. Irgendwann müssen sich einige Kettenblattschrauben entschlossen haben, lieber irgendwo am Wiesenrand herumzugammeln, statt in meinem Rad ihrem Job nachzukommen. Wir wundern uns und und fummeln und schrauben das Teil raus, fixen das große Kettenblatt mit verbliebenen Schrauben und Kabelbindern. Läuft. Bis ins Ziel ohne Mucken.
Beständig tropft die Überdosis Kalamaja in meinen Körper. Wir lassen uns darauf ein. Auf die Strecke, auf die Anstrengungen und darauf, die Tage in Elastohosen zu bestreiten. Rennrädern und Gravelbikes sind wir extrem selten begegnet. Das Fahrrad dient dort eher immer noch als simples Fortbewegungsmittel für diejenigen, die sich nichts leisten können – schon gar nicht einen ausgelaugten Audi mit getönten Scheiben. Fahrräder nehmen im ländlichen Polen und im Baltikum eine deutlich untergeordnete Rolle ein und sind definitiv kein Statussymbol. Eine Ausnahme bilden die Städte, die sich irgendwie bemühen, so zu tun, als hätten Sie Interesse an Radwegen. Auto rules. Als ich bei einer Zimmerbuchung der redseligen Hotelfrau am anderen Ende der Leistung erkläre, dass wir Radfahrer auf dem Weg nach Tallinn wären, ist plötzlich Stille. Dann fragt Sie: ”Nach Tallinn … mit dem Fahrrad? Warum denn nicht mit dem Auto? Das ginge doch viel schneller …!“ Ich meine dazu nur, dass wir das eben mögen – und auch ein bisschen crazy wären …“ Aber bei all den vielen Autos in den Städten und in den Transitrouten und dem meist eher grobmotorischen Umgang mir Gas und Bremse, hat man uns meist in Ruhe fahren gelassen. Die LKW’ ziehen meist in großen Bögen an uns vorbei. Ich habe den Eindruck, dass die Autofahrer doch irgendwie etwas gelassener mit uns umgehen, als hierzulande.
Bikepacking im Jahr 2019. Das Smartphone ist unser Communication-Navigation-Hub. Übernachtungsspots finden, Kilometer berechnen, Track berechnen, für den Rest dann analog am Telefon die Buchung arrangieren und hoffen, dass man Platz für uns hat und uns auch noch nach 23.00 Uhr oder vielleicht 00.00 Uhr die Tür öffnet. Alles läuft.


Von einer grünen Grenze zur anderen. Irgendwo ein kleiner Grenzpfosten neben einem Bach. Das war es auch schon mit der Grenze. „Zapp“, stehen wir in Litauen, rollen in aller Stille nach Lettland und Estland. Jeden Tag durchschnittlich 233 Kilometer. Mal deutlich mehr, mal deutlich weniger. Am Samstag, am Tag 8 müssen wir in Tallinn das Schiff nach Helsinki bekommen. Immer wieder rechnen wir, passen die Etappen an, und hoffen, dass die Rechnung irgendwie am Ende aufgeht. Carola ist Mathelehrerin. Aber irgendwie ist jeder Tag dann doch anders, als geplant, als gedacht, gehofft oder vorgestellt.
Der Gegenwind wird immer stärker, 4 bis 6 Beaufort, beinharte Pedalarbeit, dann endet der Asphalt abrupt und zwanzig Kilometer Gravel breiten sich vor uns aus. Bis zum Horizont: Feldweg, Sand, Steine. Harald freut sich oder tut zumindest so. Ich fluche und drifte über die Piste. Man lernt die Dinge hinzunehmen. Alle paar Minuten pflügt ein Auto mit hundert Sachen oder mehr an uns vorbei, steckt uns in eine gigantische Staubwolke. Ich versuche irgendwie eine Fahrspur zu finden, auf der die Reifen nicht wegsacken. Nach scheinbar endlosen Kilometern dann: zarter Asphalt und eine Tankstelle. Neben eingeschweißten Weltraum-Schokohörnchen warten gebrauchte Kugellager und irgendwelche Motorenteile auf Kundschaft. Ich greife zu den Hörnchen und entlocke der Kassiererin mit Google-Translate ein Lächeln. Ansonsten sind die Menschen auf unserer Reise, besonders im Baltikum, eher wortkarg. Entweder finden die uns sehr merkwürdig (was nahe liegt: sehr seltsam gekleidete Fahrradfahrer/ keine Autofahrer) oder sie sind einfach eher zurückhaltend. Oder beides.
Ingo steigt aus und um. Er kann seinen Kopf nicht mehr anheben – die Nackenmuskulatur macht ihm einen Strich durch die Rechnung. Mist. Schade. Letztes Jahr noch, mit schwerem Beinbruch und monatelanger Reha im Krankenhaus und jetzt so eine „Kleinigkeit“. Ingo nimmt’s mit Humor. Wie eigentlich alles, meistens. Jetzt sind wir noch zu dritt. Rücken noch dichter zusammen – zumindest auf dem Rad, um dem Gegenwind so wenig Angriffsfläche, wie möglich zu geben.
Noch zwei Tage bis Tallinn, bis zur Fähre, die uns nach Helsinki bringen soll. Wie schön wäre es, sich jetzt einfach in ein weiches Bett fallen zu lassen. Ja, wir haben auch darüber gesprochen, die Tour abzubrechen und als Touristen die letzten Tage zu genießen. Ja, aber wir haben auch noch Flippe in den Beinen und im Kopf sowieso. Ich telefoniere mit Kapitän Haddock, der Typ hört sich auf jeden Fall so an und er hat ein freies Zimmer auf unserem Track in Saulkrasti an der Ostsee und er wartet auf uns, auch wenn wir erst um 23.00 Uhr oder noch später bei ihm sein. Gut. Weiter, immer weiter und noch weiter. Weites Land, weite Horizonte und weite Wälder, in deren Schutz wir uns vor dem starken Gegenwind für ein paar Augenblicke erholen können. Wir entwickeln ohne viele Worte ein kompaktes Windschatten-Trio, wechseln uns immer und immer wieder wieder ab.



Zweihundertachtundvierzig Kilometer an diesem Tag, Sonnenuntergang in Riga, alles leuchtet in dunklem Gold, ich glaube jetzt fühlen wir, dass wir es schaffen können, bis Tallinn, bis überall hin . Es fühlt sich sehr gut an. Wie es sich überhaupt außergewöhnlich gut anfühlt, den Heimatplaneten mit der eigenen Kraft und deinem Flow-Mojo zu erleben. Ich glaube, es war schon fast Mitternacht, als wir dann endlich in Saulkrasti am Meer ankamen. Noch zwei Kilometer irgendwie durch den dunklen Kiefernwald und dann ins Bett – in Kapitän Haddocks Strandhütte. Der einzige Haken, der Abtörner, die dunkle Seite dieser Übernachtung war die, dass wir sie nur für ein paar Stunden auskosten konnten – wollten, durften. Bis nach Tallinn, auf der Etappe 8 waren es noch 286 Kilometer. Und um zu einer einigermaßen freundlichen Zeit in Tallinn ankommen zu können, haben wir beschlossen, früh zu starten. Sehr früh. Sehr, sehr früh. Nach etwa drei Stunden Schlaf oder was auch immer dieser Zustand war, saßen wir bereits wieder auf unseren Rädern.

F***! Wir waren echt super müde. Carola war noch müder, müder, am müdesten. Und ich phantasierte, ob sie jetzt entweder gleich total ausflippen und Harald und mich in einem Wutfall zur Sau machen würde, warum wir denn bloß zur Hölle, um diese Zeit, an diesem Ort schon unterwegs waren oder ob Carola einfach mit ihrem Rad umfällt und im weichen Gras zwei Tage schläft – ich hätte es ihr gerne gleich getan. Aber stattdessen munterten wir uns gegenseitig auf, mit irgendwelchen gemurmelten Pseudo-Motivationsformeln a’ la „… ist ja nicht mehr so weit .. Blabla“ Nach einer gefühlten, wunderbaren Ewigkeit erreichten wir Tallinn und Kalamaja. Es gibt nichts was diesem Gefühl gleichkommt, wenn sich ein Punkt auf einer Karte, eine Idee und ein Traum derart verwirklicht, wie unser Traum und unser Ride nach Kalamaja im fernen Estland. Die letzten Kilometer durch die abendliche Stadt, eine fröhliche von Rad-zu-Rad-Unterhaltung mit einem jungen estnisch-australischem Ehepaar und die Wiedervereinigung mit dem großen Kalamaja 2001 Team bei einem göttlich schmeckenden Bier. „Mama Kalamaja, hab’ mich verliebt in Dich Kalamaja. Morgen aber, muss ich schon wieder fort, mein Schiff geht. Ich komme wieder – versprochen.“ RR



KALAMA 2001
Etappe 1 > 250 Km > Hamburg – Stavenhagen, Mecklenburg-Vorpommern
Etappe 2 > 194 Km > Stavenhagen – Treptow, Polen
Etappe 3 > 260 Km > Treptow (PL) – Danzig (PL)
Etappe 4 > 151 Km > Danzig (PL) – Kajnity (PL)
Etappe 5 > 271 Km > Kajnity (PL) – Wilkowischken, Litauen
Etappe 6 > 200 Km > Wilkowischken (LTU) – Telsche (LTU)
Etappe 7 > 250 Km > Telsche (LTU), Saulkrasti, Lettland
Etappe 8 > 286 Km > Saulkrasti (LVA)- Tallinn, Estland
Pedale & Poeten
»Le Fahrradabend«



26. Oktober 2019 – 19.19 Uhr
Rödingsmarkt 52 – 20459 Hamburg
Nach nun schon drei unglaublich schönen Le Fahrradabenden und einem enorm spannenden Fahrradjahr 2019, laden wir Euch mit großem Herzen ein, am lodernden Abenteuerfeuer, die Radbeine auszustrecken, aufregenden Geschichten zu lauschen und Fotos und Filme zu gucken und, und, und.
Nach nun schon drei unglaublich schönen Le Fahrradabenden und einem enorm spannenden Fahrradjahr 2019, laden wir Euch mit großem Herzen ein, am lodernden Abenteuerfeuer, die Radbeine auszustrecken, aufregenden Geschichten zu lauschen und Fotos und Filme zu gucken und, und, und.
Pedale & Poeten ist ein kunterbunter Abend mit Ridern, Fahrradfahrer/-innen, Breveteras und-os, Radsport-Abenteurerinnen und -Abenteurern, und ihren Geschichten und Bildern von der Straße und der großen weiten Welt und mit Dir und für alle, die gerne mit dem Rad durchs Leben pedallieren.
— Unverbindliche Programmvorschau —
UpDates zum Programm findet Ihr hier und dort https://www.facebook.com/events/670925626690792/?active_tab=about
Die No. 4 von Pedale & Poeten hat das Leitmotto „Zeit“. Fahrzeit, Mahlzeit, Lebenszeit, Pausenzeit, Jahreszeit, Zeitplanung, Zeitreise, Zeitumstellung und oder? Zeit ist irgendwie total wichtig – (gerade) auch beim Radfahren. Wir nehmen uns darum ein wenig von ihr und beleuchten das Thema.
Björn Lenhard „Allein im Oman“
Der Paris-Brest-Paris-Gewinner und TransAtlantic-Way Gewinner und mehrfache Transcontinental-Race-Rider und überhaupt super sympathische Ausnahmeradsportler nimmt uns mit auf einen magischen Allein-Ride in die Weiten, Wüsten und Berge des Omans.
Super Berlin Express 747 »Duell in Spandau«
Rennbericht über die dritte und bisher härteste Ausgabe des Long-Distance-Country-Cat-Abenteuers – Hamburg-Berlin-Hamburg, „Hitze, Kälte, Wind, Krämpfe und Kämpfe!“
Paris-Brest-Paris 2019
Rennbericht von Hamburger Freunden, die sich erstmals auf diese legendäre Strecke gemacht haben.
EURE LIEBLINGS RAD SHOTS
Schickt uns per PN euer Lieblingsfoto Eurer Lieblingstour. Egal ob der Ausflug 1000 oder nur 1 Kilometer lang war. Egal ob das gestern oder vor dreißig Jahren war. Wir zeigen die Fotos dann auf der großen Bühne 🙂 und Ihr könnt/müsst aber nicht … einen Satz dazu erzählen.
KALAMAJA 2001
Die wichtigste Filmpremiere des Jahres: St. Pauli – Tallinn/Estland, das Long-Distance-Fahrradabenteuer in bewegten Bildern. Abenteuergeschichten von der Tour, 1870 Kilometer in 8 Tagen, durch 6 Länder von der Elbe bis weit in den wunderschönen Osten unseres Europas, am Baltischen Meer.
Charity Auktion
Da Ihr sowieso gerne Geld für Fahrradsachen ausgebt, sollt Ihr an diesem Abend auch auf Eure Kosten kommen und gleichzeitig für einen guten Zweck bieten. Ersteigern könnt Ihr Profi-Team-Accessoires von der Tour De France 2019 u.v.m.
Svenja Schrade „Allein in Schottland“
Die Hamburger Fahrradabenteurerin und Long-Distance-Riderin nimmt uns mit nach Schottland. Eine Frau, ein Rad, ein Zelt und jede Menge Zeit für Abenteuer.
Weitere Beiträge tba.
EINTRITT FREI
„Pedale & Poeten“ ist ein Self Supported Event:
Jeder spendet etwas in die P&P-Orga-Facility-Kasse,
Und: bringt das, was er gerne trinken/snacken möchte selbst mit. Und: jeder bringt dazu noch 1 Pulle Bier/Softdrink/Schampus für das Peloton
Festive 310 von 500
»Hamburg – Fulda, Non-Stop-Versuchsfahrt mit Spaghetti volles Programm.«

Zwei Uhr irgendwas in der Nacht. Gerade geht’s wieder irgendeinen Mittelgebirgshügel hinauf. Dunkel, wie Stromausfall. Rauschendes Nachtgerausche in meinen Ohren. Im Bauch rumoren „Spaghetti volles Programm“, genau so stand es in der Speisekarte beim Dorfgriechen „Mykonos“, „Metaxa“ oder „Korfu“ , den wir irgendwann vor ein paar Stunden überfielen. Das Projekt, an dem wir gerade dran sind, heißt „Festive 500“ und bedeutet „Fahre in der Zeit zwischen Weihnachten und Silvester, in der der größte Teil der westlichen Menschheit vollgemampft auf post-weihnachtlichen Sofas lümmelt und auf bunt flimmernde Riesen-Flatscreens starrt und dabei die üppigen Reste vom Bunten Teller vertilgt, mit dem Fahrrad eine Strecke von 500 Kilometer. Und weil KevMan und Rick Rider und Michi mit einer guten Portion Abenteuersinn und Größenwahn ausgetattet sind, wollen wir das „Ding“ in einem Rutsch fahren, „InOneGo“. So weit der Plan. Das hatte ja im letzten Jahr auch geklappt. Also, im Prinzip nur eine Wiederholung.
Pläne sind Schwäne. Sie sehen hübsch aus, können aber schnell ins „Schwimmen“ kommen und auch sonst gut Stress machen. Jemand meinte noch vor dem Start, warum wir nicht „einfach“ eine „normale“ Runde um die Hauttür machen. 500 Kilometer sind so oder so nicht „normal“! Nee dann, lieber, noch mehr nicht normales Abenteuer. Von Hamburg nach Fulda über alle „Hügel“ mitten durchs Land. Was ein super Plan, denke ich. Ich bin total müde gerade. Seit unserem Start um 6.00 Uhr in Hamburg gab’s nur Gegenwind und Regen – unser Schnitt und unser Kraftkonto haben so gelitten, dass wir jetzt in den Anstiegen und tiefschwarzen Abfahrten und auf den schmalen Wirtschaftswegen nicht wirklich mehr etwas reißen können. Mal abgesehen davon, dass ich auch das Gefühl habe, dass mir mein ganzes Jahr mit all seinen Herausforderungen und Abenteuern, wie ein müder Koalabär auf den Schultern hängt und mir dabei irgendwie die mentale Würze fehlt. Um über die Grenze zu gehen, um komplett alles zu geben. Oder vielleicht hatte ich auch schon alles gegeben und der Tank war einfach leer.
Schatten tanzen im Mondlicht, über uns plötzlich Milliarden Sterne, die Wolken haben sich verzogen. Ein dunkelgraues Meisterwerk der Landschaftsmalerei breitet sich schweigend vor unseren Augen aus. Dafür hat sich schon der ganze „Ausflug“ gelohnt. Es sind so absolut einzigartige, kleine Augenblicke, kleine Geschenke, kleine wundervoll wertvolle Edelsteine, die Dir „Big Mama“ zusteckt, wenn Du mit dem Fahrrad die Welt befährst und vor deinen Augen pure Magie passiert. Ein paar Stunden vorher, war da nur ein „Scheiße“! Damit war der gerissene Schaltzug an Michis Rad gemeint und sein vorzeitiger Ausstieg – in eine warme Dusche und in ein warmes Bett in einer freundlichen Herberge in eine beheizte, zivilisierte Welt mit W-LAN. Der hat es gut.
Nach zwei total unbequemen Power Napps in „EC-Hotels“, neben leise surrenden Geldautomaten, war dann unsere Power voll im dunkeln -5 Grad kalten Arsch der Nacht verschwunden. Im müden Kopf zusammengezählt müssten wir noch mindestens acht Stunden weiterfahren und dabei liegen die größten Anstiege noch vor uns. In Hannoversch Münden haben wir so etwa um 4 Uhr morgens auf die frohlockend grinsende „Stopp-Taste“ gedrückt. 310 echt mal hart erfahrene Kilometer. Die Rückfahrt mit der Bahn war auch hart. Mein Fahrradticket wurde nicht auf die Fahrkarte vom Automaten gebucht, keine Ahnung, was sich der Kasten dabei gedacht hat. Die Metronom-Frau im Zug konnte dann aus ihrem schrankgroßen Umhänge-Computer keine Fahrkarten ausdrucken, nur meterlange Zahlungsaufforderungen über 60 Euro, weil die 2,50 Euro für das Fahrradticket fehlten. Ich bin ein todmüder und jetzt auch noch gesetzloser Rider, der Bahnfahren und den Service-Todestern Deutschland in diesem Moment mal echt in den frühmorgendlichen A* treten könnte. Aber dabei hätte ich mir vermutlich in meinem Zustand noch den Fuß verstaucht. Um dieses Event noch mit einem beliebten Detail zu granieren, habe ich beim Umsteigen auf kalten Provinzbahnhöfen noch meine Gore-Winterhaube verloren. Verlustrechnungen.
Nach Abzug aller Aufwendungen und einer gute Mütze Schlaf, bereue ich keinen Meter. Diese Art Radfahren liebe ich, mit X-Faktor, der Dich ganz nach vorne bringen oder eben auch mal schön in Deinen Lycra-Butt kicken kann. Und dazwischen ereignen sich eigentlich immer schöne Dinge. „Spaghetti volles Programm“, Mondlicht-Gemälde, Radsport-Ritzen-Rauschen, witzige und bisweilen tiefsinnige Gespräche und vieles mehr. Ich freue mich schon auf ein Wiedersehen. Und den Track nach F500 Track nach Fulda nehme ich mir nochmal vor.
SAINT MILLE
St. Pauli – Saint-Tropez
»Melonen, Gorillas und Monsieur Ventoux.«

Sankt Pauli – Saint Tropez. Mit dem Fahrrad. 9 Tage. 1800 Kilometer, 17.000 Höhenmeter. Eine Story, ein Projekt. Jetzt sitze ich wieder hier in Hamburg. Muss immer grinsen und in die Sonne blinzeln, wenn ich daran denke, dass wir das tatsächlich gemacht haben. Doch verstehen kann man so eine Reise wahrscheinlich nicht. Fühlen kann man sie, spüren, riechen, erleben.
Eine naive Ode an den Radsport? Eine Frage an das Abenteuer-Orakel, kann man das schaffen? Kann ich das schaffen? Nach allen Planungen und Berechnungen beginnt alles zu verschwimmen. Gestern, heute, morgen und jetzt. Blickst die Berge hinauf. Die Berge deines Lebens. Die Dämonen, die dir gestern noch im Nacken saßen, werden immer kleiner. Du bist der Captain auf einer Mission, deren Namen Du nicht kennst, weil sich alles, alles was in der Excel-Tabelle stand, weil sich alles, was ein Plan war, einfach in Schweiß und heiße Atemluft auflöst. Ich höre auf die Pedalumdrehungen zu zählen, die Kilometer und Höhenmeter, die Stunden und Minuten. Alles wird eins, ein Moment, eine Bewegung, ein Weg, ein Fahrrad, ein ich. Instinkt und Intuition, Automation, einfach nicht aufhören. Berechnungen treffen auf Bergbäche, will mich ins kühle, dunkelgrüne Gras legen, schlafen, nie wieder aufstehen. Und dann weiterfahren und niemals aufhören.

Alles tut mir weh,
fühle mich allein und zu weit weg von Zuhause. Während ich über den Lenker starre, küsse ich die Liebe meines Lebens, küsse meine Kinder, ich vermisse sie und finde mich egoistisch. Trotzdem fühle ich, dass ich weiterfahren will. Ich muss weiterfahren, muss mich freifahren, Die Reise meines Lebens. Begann vor langer Zeit, sehe mich als sechzehnjährigen schüchternen, dünnen Hering mit Walkman auf dem Kopf auf’s Meer schauen. Michael Jackson meets Riuchy Sakamoto. Surfen bis die Finger absterben, endlose Sommer am Mittelmeer, Rennrad fahren am Deich, Ich bin ein Reisender. Immer gewesen.
Irgendein weiser Geist sagte einmal: Nimm dein Geld und investiere es in Reisen. Deine Rolex erzählt dir keine Geschichten. Ich kann dir jetzt von kühlen Abendnebeln erzählen, die sich über die endlos grüne Bergwiesen legen, vom verzaubernden Duft wilder Blumen, die meine Beine im Vorbeifahren streicheln – vom wahren Duft Europas. Ich habe ihn erlebt, gespürt und geatmet. Ich fahre eine Zeitmaschine, rausche und schleiche durch Orte, von denen ich nicht wusste,dass es sie gab, oder überhaupt noch geben würde, so schön, so wild, so alt und so fragil verstecken sie sich abseits der großen Routen in Tälern und an Hügel geklebt.

Ich erzähle Dir von frisch gebackenem Baguette, aus einem kleinen versteckten Dorf in Frankreich. Draußen dämmert es gerade. Die kleine Tochter der Bäckerin schaut mich neugierig an, als ich das lange Brot teile und die beiden Stücke in mein gebeuteltes Trikot stecke. Oder, als ich sämtliche, klein geschnittenen Probierstückchen Melone bei einer Supermarktpause in meinen trockenen Mund schob. Carola hat übrigens auch mitgemacht. Draußen vor dem Supermarkt eingekesselt zwischen Mülltonnen, Einkaufswagen und Gartengeräten haben wir dann unter dem gnadenlosen Diktat der Mittagssonne, Flüssigkeiten und Kohlehydrate in uns eingefüllt. Davon kann ich auch berichten.

Über 90 Stunden auf dem Fahrrad. 378.000 Pedalumdrehungen. Viel Zeit um die Gedanken kreisen zu lassen. Viel Zeit, sich und die anderen im Team kennenzulernen. Sind wir ein Team? Fünf Ich-Rider auf einer gemeinsamen Mission. Zusammen und alleine und wieder zusammen. Wir brauchen uns und wir brauchen uns auch nicht. Was uns verbindet, ist die Abenteuerlust, die Leidenschaft für das Radfahren. Vielleicht gehören wir jetzt zusammen, sind eine auf der Straße gewachsene, abenteuerlich metaphysische Beziehung untereinander eingegangen. Schließlich sind wir über Eintausendachthundert Kilometer nebeneinander, hintereinander und voreinander mit dem Rad gefahren. Ich kenne Deinen Hintern besser als meinen. Keine Geheimnisse. Für immer die Fünf, die im Frühsommer des Jahres 2018, gemeinsam etwas Großes gewagt haben.
Dann kam Mont Ventoux.
Zeilen in Büchern. Heldengeschichten, Monument des Radsports, Schicksalsberg, aus Stein manifestiertes Naturkolloseum für Radsportler. Ragt da so schmucklos in den blaugrauen Himmel der Provence. Einundzwanzig Kilometer bergauf. Da flirrt der Ventoux am Horizont durch die jetzt schon sommerwarme Provence. Der Berg schaut in unendlicher Ruhe zu mir herüber. Ist es nur ein Berg? Ich glaube alle von uns hatten sich zu Hause das Höhenprofil und Fahr-Taktiken angeschaut und durchgelesen.


Dabei ist es doch nur ein Berg! Nein, der Ventoux ist kein Berg. Er ist eine Prüfung. Ein von romantischen und zugleich sadistischen Menschen kreierter, ultimativer Test. Und alle, die den Radsport lieben und sich einer religionsfreien Kasteiung unterziehen wollen, treffen sich unter anderem hier. Und ich hatte früher nur die Siegerurkunden bei den Bundesjugendspielen im Schulranzen. Fuck You All! Mont Ventoux, wir werden sehen uns morgen früh in aller Stille. Wir haben uns dann gesehen, hatten genug Zeit uns kennenzulernen. Ich hatte es ja auch nicht eilig. Hüstel. Der lange Aufstieg durch den Wald war fast ein Genuss. Kalter Nebel dann, dicke Wolken, dunkel und grau und hellgrau und weiß, je näher ich dem Gipfel kam. Nur ein paar Mal wurde ich von einem bunten Lycra-Franzosen überholt. Plötzlich stand ich auf dem Gipfel des Mont Ventoux. Tränen in den Augen. Pures Glück. Das Leben ist groß, wenn man es dazu macht. Dankbar, das zu dürfen. Ohne wenn und aber.
Die letzten paar hundert Kilometer nach Saint Tropez ziehen sich durch die letzten zwei Tage. Es ist warm. Die vielen Kilometer in den Beinen feiern perverse Partys in meinen Muskeln. Müde, durstig, hungrig. Durstig, müde, hungrig. Wir spüren das Meer. Das Mittelmeer. Es duftet nach Lavendel und Pinien unter der Sonne der Cote Azur. Unzählige weiße Villen verstecken sich hinter hohen Zäunen. Schweiß und Staub auf unseren Körpern. Die nächste Dusche ist noch weit weg. Wasser von einem Aussteiger aus Belgien – schaut gelassen über das Feld vor seinem winzigen Haus. Das Wasser ist herrlich kühl. Ein paar Stunden dass azurblaue Meer, Mega-Yachten und Champagner in Saint Tropez, aus der Flasche, auf der Bordsteinkante, von Ferraris und Maseratis umkreist. Sankt Pauli – Saint Tropez mit dem Rad. Erst war es nur eine Idee. Dann wurde es zu einem unglaublich großen Radsportabenteuer, zu einer Zeitreise in das stille und duftende Herz Europas. Von der Elbe bis ans Mittelmeer. Merci!


Wer nicht nur lesen will, schaut hier
Saint Mille – Der Film
Schön, zu sehen, dass so eine Reise auch vielen anderen Abenteurern gefällt und vielleicht zu neuen Abenteuern inspiriert, The Radavist
Fotos: Falko M./ Andreas K./ Rick R.


24. November 2018 – 19.19 Uhr
Rödingsmarkt 52 – 20459 Hamburg
Pedale & Poeten ist ein bunter Abend mit Ridern, Fahrradfahrer/-innen, Breveteros, Abenteurer/-innen, Weltverbesserern und Radsportler/innen. Mit ihren Geschichten und Bildern von der Straße und der großen weiten Welt und mit Dir und für alle, die gerne mit dem Rad durchs Leben pedallieren.
„Pedale & Poeten“ No. 3
Nach dem unfassbar, unglaublich schönen Le Fahrradabend im März und einem total aufregendem Fahrradjahr 2018, laden wir Euch mit großem Herzen dazu ein, 4 Wochen vor Weihnachten, am lodernden Abenteuerfeuer, die Radbeine auszustrecken, aufregenden Geschichten zu lauschen und Fotos und Filme zu gucken und, und, und.
— PROGRAMM Nov. 2018 —
Die No.3 von Pedale & Poeten hat das Leitmotto „Energie und Antrieb“. Was treibt Euch uns an – im Herzen, im Kopf und im Bauch – Müsliriegel und fernöstliche Weisheiten? Neugier oder Wahnsinn? Oder? Wir werden es vielleicht herausfinden. Mit tollen Stories, Berichten, schlauen Tipps und weisen Weisheiten.
> DAS GEHEIMNIS VON KNUD P. OLSEN
Rick Rider liest und beamt. Die Geschichte eines vergessenen Champions. Eine Hommage an den nordischen Radsport. Und dann noch 80 Platten, 2 Hot-Dogs und eine offene Rchnung und einen Pfosten.
> Transcontinental Race NO.6
TEAM CHAMPION Johanna Jahnke: 16 Tage, 16 Länder, 4000 Kilometer einmal quer durch Europa. Als erstes Frauenteam rollen Johanna und Marion durchs Ziel. Lauscht ihrer wunderbaren Abenteuergeschichte und erfahrt, was der beste Antrieb für dieses absolut legendäre Bikepacking-Abenteuer-Rennen ist.
> Super Berlin Express 747 »Entscheidung am Teufelsberg« Das leicht verrückte Long-Distance-Country-Cat-Abenteuer – Hamburg-Berlin-Hamburg, „Gute Nacht Busshaltestelle!“
> EURE LIEBLINGS RAD SHOTS
Eure Lieblingsfotos. Egal ob der Ausflug 1000 oder nur 1 Kilometer lang war. Egal ob das gestern oder vor dreißig Jahren war. Wir zeigen die Fotos dann auf der großen Bühne 🙂 und Ihr könnt/müsst aber nicht … einen Satz dazu erzählen.
> SAINT MILLE – LE FILM
Die wichtigste Filmpremiere des Jahres: St. Pauli – Saint Tropez, das Long Distance Fahrradabenteuer in bewegten Bildern. Geschichten von der Tour, 1850 Kilometer in 9 Tagen von der Elbe bis ans Mittelmeer.
> TUSCANY TRAIL
Claudi auf dem Rad über 500 Kilometer quer durch die wilde Toskana – alles andere als im Maserati zur Weinprobe. Geschichten einer unglaublich sympathischen Abenteurerin.
> RENNRAD-SCHATZGESCHICHTEN
Die erzählt uns Peer von 10Bici aus Hamburg. Der Vintage-Rennradflüsterer wird ein oder zwei wunderschöne, alte Rennradschätze und ihre zauberhaften Geschichten zu uns bringen!
> Garniert wird der Abend mit feiner Musik und Zeit zum Quatschen und für zum neue Abenteuer planen und überhaupt.
UpDates zum Programm findet Ihr hier und demnächst auch dort
https://www.facebook.com/events/529049427558339/
#pedaleundpoeten
EINTRITT FREI
„Pedale & Poeten“ ist ein Self Supported Event:
Jeder spendet etwas in die P&P-Orga-Facility-Kasse,
Und: bringt das, was er gerne trinken/snacken möchte selbst mit.
Und: jeder bringt dazu noch 1 Pulle Bier/Softdrink/Schampus für das Peloton mit!

SAINT 1000 – St. Pauli – Saint Tropez
7 Abenteurer, 1850 Kilometer, 9 Tage auf dem Fahrrad
Verwaschene Fotos in Kodak-Color und ein kleiner Punkt auf der Europakarte. Saint Tropez, die Schönen und die Reichen, Super-Yachten, Superstars und das kleine Fischerdorf an der Côte d’Azur. Kurz: Mit dem Rad, von St. Pauli ans Mittelmeer in neun Tagen. Le Grand Tour 2018. Der Plan fühlte sich auf jeden Fall gut an. Die Verwirklichung hingegen war aufwendiger als gedacht. Wahrscheinlich auch darum war es dann wunderbar, irgendwann den Duft sonnenverwöhnter Pinien am Mittelmeer einzuatmen, während das Rad lässig die letzten Hügel nach St. Tropez hinunter surrte. Wir hatten es tatsächlich geschafft. Über hundert Stunden auf dem Rad, durch Deutschland, die Schweiz und Frankreich, auf den Mont Ventoux und einige andere Cols, bis hinter einer Kurve auf ein Mal das blaue Mittelmeer am Horizont aufblitzte, als wäre es so selbstverständlich, wie Fahrradfahren …

04 Mai 2018 – 6.00 Uhr
SAINT 1000 – St. Pauli – Saint Tropez
7 Abenteurer, 1850 Kilometer, 8/9 Tage auf dem Fahrrad

Cher aventurier,
die Grand Tour 2018, der weite Weg ruft nach … auch Auf legendären Wegen fahren wir diesmal direkt aus dem Herzen St. Paulis hinaus in den Süden, pedalieren uns wagemutig durch Deutschland, die Schweiz und Frankreich, liebkosen mit unseren Pneus historischen Tour De France Asphalt, premieren in der Provence den sagenhaften „Mont Ventoux“, um dann schließlich im legendären Saint Tropez bei einer gepflegten Flasche Schampus auf rund 1850 Kilometer Fahrradabenteuer anzustoßen.
Mit der SAINT 1000 unterstützen wir das Jugendhaus der Kirche St. Pauli im Herzen von Hamburg. Dort arbeiten Pastoren und die Teams des Jugendhauses mit Kindern und Jugendlichen der sehr bunten Nachbarschaft. Jeder kann sich uns anschließen und mit ihrer/seiner Spende den Kids auf dem Hamburger Kiez ein Stück Lebensqualität und Perspektive zu geben – und einfach nur, dass die Welt da draußen auf ihrer Seite ist.
Spendenkonto folgt asap.
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Pedale & Poeten ist ein bunter Abend mit Ridern, Fahrradfahrer/-innen, Breveteros, Abenteurern, Weltverbesserern, Radsportlern


Pedale & Poeten ist ein bunter Abend mit Ridern, Fahrradfahrer/-innen, Breveteros, Abenteurern, Weltverbesserern, Radsportlern und ihren Geschichten und Bildern von der Straße und der großen weiten Welt und mit Dir und für alle, die gerne mit dem Rad durchs Leben pedallieren.
— REVIEW PROGRAMM 24. März 2018 —
»Pedale & Poeten« hat diesmal ein Leid … Leitmotto: »Der große Plan«. Und so werden wir dann auch gut, mittel oder gar nicht geplante, aber in jedem Fall wunderbare bis haarsträubende und natürlich auch immer inspirierende Abenteuergeschichten von Fahrradabenteurern und Poeten hören und sehen.
> 500 SHADES OF KALTE FÜSSE
Rick Rider liest und beamt. Allein unterwegs. 500 Kilometer. Ein Tag und eine Nacht. Hunde, Currywurst, Gegenwind und ein irrer Plan.
> TRANSCONTINENTAL Rider #52:
Torsten Frank nimmt uns mit auf das wohl schon legendärste und härteste Radrennen der Neuzeit. Über Berge, durch Täler, über Höhen und Tiefen. Von der Planung auf’s Rad, auf die Straße. Beim TCR #06 in diesem Jahr will Torsten wieder am Start in Geraardsbergen/Belgien stehen.
> EURE LIEBLINGS RAD SHOTS
Schickt uns per PN euer Lieblingsfoto Eurer Lieblingstour. Egal ob der Ausflug 1000 oder nur 1 Kilometer lang war. Egal ob das gestern oder vor dreißig Jahren war. Wir zeigen die Fotos dann auf der großen Bühne 🙂 und Ihr könnt/müsst aber nicht … einen Satz dazu erzählen.
> TRANSCIMBRICA
Im Spätwinter 2018 ganze 1339 Kilometer self-supported von Hamburg an die Nordspitze Dänemarks und wieder zurück. Überlebende Teilnehmer berichten uns exklusiv!
> HARALD VERSTEIGERT SACHEN
Live-Auktion eines wirklich schicken und nützlichen
Fahrrad-Gadgets für einen ganz guten Zweck.
> LESESTUNDE
Otte Erich, der großartige Hamburger Pedalist, Sportler, Antiquar und Literaturfan nimmt uns mit auf eine kleine literarische Abenteuerreise zu großen Plan
> Das ? VON AM LAUFENDEN BAND
Was es damit auf sich hat, das weiß nur Gert. Und der wird es uns dann auch erzählen. Mehr wissen wir auch nicht!
> FreiFahrKultur-Beiträge
Zeit für Deine Geschichten, Gedichte, Bilder, Filme … aus deinen Fahrradleben 2017. Schick uns einfach eine PN mit Infos zu Deinem Beitrag – wir freuen uns drauf!
> Garniert wird der Abend mit feiner Musik und Zeit zum Quatschen und für zum neue Abenteuer planen und überhaupt.
Eintritt Frei
„Pedale & Poeten“ ist ein Self Supported Event:
Jeder spendet etwas in die P&P-Orga-Facility-Kasse,
Und: bringt das, was er gerne trinken/snacken möchte selbst mit.
Und: jeder bringt dazu noch 1 Pulle Bier/Softdrink/Schampus für das Peloton mit!
UpDates zum Programm findet Ihr hier und demnächst auch dort https://rauszeitsite.wordpress.com/
Flashback
Es war eine magische Premiere von
»PEDALE & POETEN« mit vielen, vielen Gästen und magischen Pedalisten und Poeten, hier im Rick Rider International Headquarter am Hamburger Hafen bei biike. Für alle, die nicht dabei sein konnten – das habt Ihr verpasst :-):

Photo: Sabine Scheller
> BBB1000 – Weltpremiere des Films
zum Fahrradabenteuer, in dem ein paar durchschnittliche Rider, in einer Woche 1570 Kilometer von Hamburg nach Brügge und wieder zurück nach Hamburg gefahren sind. BBB1000. Der Film.


Photo: Sabine Scheller
> Mit dem Fahrrad zum Nordkapp (Nordkinn) – im Winter. Erik und sein Abenteuer und sein Film. Brrr!
> Die Hamburger Fahrradlegende Harald Legner
erzählte uns von seiner Teilnahme an London-Edinburgh-London 2017
> Otto Erich las
Der großartige Hamburger Pedalist, Sportler, Antiquar und Literaturfan nimmt uns mit auf eine kleine, exklusive Abenteuerreise.
Super Berlin Express 747
Am Ziel waren es dann doch 757 Kilometer in ca. 46 Stunden/30,5 Std. Fahrzeit (STRAVA) Von Hamburg nach Berlin, durch Berlin und um Berlin herum bis zum Müggelsee und dann im Norden um Berlin herum wieder zurück nach Hamburg.


Es war schon dunkel, irgendwo im graugrünen Nirgendwo Brandenburgs. Links am Straßenrand lag da so ein Pappträger für Wegwerf-Kaffeebecher. »Wenn das Ding da liegt«, dachte ich, »dürfte der nächste Kaffeespender in unserer Fahrtrichtung sein und vielleicht in Reichweite unserer müden Kraftreserven liegen!?« Derartige Gedanken taumelten ständig durch meinen Kopf. Meistens geht es dabei ja meist um so essentielle Dinge, wie: Essen, Trinken, Pause, Route, Durchschnittsgeschwindigkeit und Kilometer bis zum nächsten Stopp. Die Idee, an einem Wochenende im Juli, mit Super Berlin Express 747 eine Art Long-Distance-Alleycat, oder besser -Countrycat zu machen, wollte ich eigentlich viel später in die Tat umsetzen – doch das kleine Kilometermonster in mir säuselte nur » Tu es jetzt Rick, tu es, weil Du willst es doch auch …!«

Also knapp 760 Kilometer in einem Rutsch durchzufahren und dabei in persönliches Neuland und in ferne Grenzwelten zu pedalieren, war schon ein maximaler Reiz. Also quasi sich selbst das „Stöckchen“ ins Feld zu werfen um dann hinterherzulaufen. Zwischenzeitlich dachte ich nur, hätte eine Flasche Whiskey, unter freiem Himmel konsumiert, vielleicht ähnliche Zustände erzeugt, wie dort draußen auf dem Rad zwischen klapprigen Dörfern und klappernden Störchen. Ein Rausch und eine Kilometer-Orgie durch schweigende Landschaften, an in der Juliwärme flirrenden Feldern vorbei, während die kleine Anzeigetafel am Lenker bedächtig einen Kilometer nach dem anderen addierte. Ein Pilger, meditierend, das Mantra des Abenteurers und Suchenden immer wieder repetierend. Dazwischen Störche, unendlich viele Störche in allen Lebenslagen. Im Nest stehend, sitzend, mit Jungen, fliegend, startend und landend – freie Auswahl für Vogelfreunde. Dazu Wildschweine in der Dämmerung, Fuchs von rechts, dicke Dorfkatzen und zwei junge Wölfe von links. Kevin hat die Wölfe leider nicht gesehen. Vielleicht habe ich mir die Tiere auch nur eingebildet. Ich hatte nämlich irgendwann, vermutlich durch den Schlafentzug, eine erstklassige Halluzination von einem schwarzen kleinen Tier, dass sich durch unsere Beine schlängelte. Keine Einbildung hingegen war die kleine Spinne, die das Licht meines Scheinwerfers als Lockmittel für Snacks nutzte und sich auf den vielen Kilometern zwischen Packtasche und Lenker ein kleines, netzartiges Gebilde baute. Auch eine Reisende. Freaks!

Neunzig Prozent unseres Landes sind Land. Also: Felder, Wiesen, Wälder, Berge, Hügel, Marschen, Auen, Siedlungen, Dörfer und kleine Städte. Wenn man auf dem Fahrrad durch die Lande fährt, spürt man das. Und ich empfinde es als ein sehr schönes Gefühl. Schnell erlebt man dort die die Kraft der Stille. Zum Beispiel, als ich nachts zwischen zwei riesigen Weizenfeldern anhielt und das Licht meines Scheinwerfers ausschaltete. Mal abgesehen davon, dass ich bei dieser Aktion das Gleichgewicht verlor und beinahe in einen Graben gestürzt wäre, war die still atmende Ruhe ein wunderschönes Geschenk. Weniger angenehm hingegen war unser kläglicher Versuch, auf der Sitzbank einer Bushaltestelle, in Brandenburg ein kleines Nickerchen einzubauen. Im gefühlten Zentimeterabstand peitschten schlampig getunte Kleinwagen mit hundertzwanzig Sachen an uns vorbei. Dass die sich dabei innerhalb einer Ortschaft – wenn auch nur einer kleinen befanden – ließ die „Piloten“ völlig gleichgültig. Kurz vielleicht das Gaspedal gelupft und dann mit 140 Dezibel direkt an Rick und Kevin vorbei.

Wie herrlich leise sich doch das Fahrrad durch die Welt bewegt. Es fliegt und gleitet, klickert und surrt und schnurrt, aber eben nur so. Ach ja, das Klickern der Nabe allerdings, so ist meine Vermutung, die nach über siebenhundert Kilometern schon fast einer validen, wissenschaftlichen Studie gleichkommt, macht Hunde verrückt. Da muss man nicht beim Transcontinental Race durch den wilden Balkan pedalieren, um das zu erleben. Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg reichen dazu völlig aus, um dutzende fette Vierbeiner hinter rostigen Zäunen in den bellenden Wahnsinn zu treiben. Erfreulicherweise hielten deren künstliche Grenzeinrichtungen ihren behaarten Hundekörpern stand. Sich dann noch mit so einem Ungetüm einen Rennen zu liefern – so weit hätte meine Leidenschaft für schnelles Radfahren nicht mehr gereicht.

Als schnittiges Quartett in Hamburg gestartet, ab irgendwo dann als Trio mit Uli bis nach Berlin und dann janz weit wieder zurück nach Hamburg mit Kevin. Viel Zeit um festzustellen und zu spüren, wieviel Freude es macht, mit Menschen, die ähnlich fühlen und fahren, unterwegs sein zu können. Und obwohl ja während der langen Etappen gar nicht so viel oder auch gar nicht geredet wird, habe ich das Gefühl trotzdem irgendwie stets im Kontakt und Verbund mit den anderen zu sein. Sei es mit dem kurzen lächelnden Seitenblick, der sagt »alles in Ordnung« oder »ja, ich hätte auch große Lust auf zwölf vegane Brathähnchen mit Beilage« oder auch mit dem Fahrtrhythmus des Vordermannes, der dir sagt, dass du jetzt auch mal Führungsarbeit machen solltest. Geheimsprache, Körpersprache, Details und Zeichen. Auf dem Rad hast du viel Zeit, die Radsprache der anderen zu lernen und dabei auch so einiges über seine Persönlichkeit zu erfahren.

Potsdam, Protzdam, eine goldgrüne Pracht im Vorbeiflug. Wie ein kleiner Junge, der nur mal kurz am Eis seines gehässigen älteren Bruders lecken durfte, bevor dieser es ihm dann wegnahm und verschwand. So in etwa huschten Prachtvillen und Paläste aus vergangenen Zeiten an meinem visuellen Lustzentrum vorbei. Reifen knisterten auf den feinen Parkwegen und ich war Uli doppelt dankbar, dass er den Berliner-Part der Strecke ausgearbeitet hatte. Ein Genuss in der goldenen Abenddämmerung. Kleine Motoryachten brummten über die Seen, wohlgebügelte, duftende Teenager hüpften lachend auf dem Areal einer kubischen Prachtvilla herum, während die Erwachsenen mit Sundowner in der Hand, wahrscheinlich über G20 im fernen Hamburg und Börsenkurse diskutierten. Ich dachte derweil an Energie-Riegel und riesige Currywürste und das dieser Streckenabschnitt in Potsdam, in meiner Gourmetabteilung für aller feinste Flow-Strecken, einen sehr vorderen Platz bekommen wird. Natürlich haben wir auch den Schatz vom Müggelsee gefunden. Zusammen mit Michael, einem Berliner Long-Distance-Rider, der plötzlich am Straßenrand stand und uns durch Berlin bis zum Müggelsee begleitete. Diese kleinen Überraschungen, die echte Größe haben. In der Dunkelheit durch die Wälder, um dann noch einmal am nördlichen Ende Berlins freudig begrüßt und von Regine mit allen kleinen Köstlichkeiten verpflegt zu werden. Wahrer Luxus.




Je weiter wir fuhren, je mehr Kilometer wir in der Nacht eroberten, desto schwerer und schwerer lastete die Müdigkeit auf uns und in uns. Ich vermied es dabei schon tunlichst überhaupt an Schlafen zu denken. Die Vorstellung an ein weiches Kissen, an Stillstand ohne White-Noise in den Ohren, an geschlossene Augen und an ruhende Konzentration waren absolut kontraproduktiv und führten fast zu einer Form von Paralyse, ähnlich, wenn Tiere in Schockstarre fallen. Ich hätte mich ebenfalls einfach in die verlockend weiche Böschung fallen lassen können und wäre in der Sekunde eingeschlafen.


Recht erquicklich war dann eine Stunde neben einem freundlich rauschenden und wärmenden EC-Automaten in einer kleinen Sparkasse in Irgendwo – mit dem weiteren Geschenk, dass gleich nebenan eine Bäckerei in den frühen Stunden des Morgens ihre Türen öffnete. Dort saßen wir dann auch gleich, die Vitrine leerend – etwas abgerockt und derangiert, wohlig schmatzend und seelig grinsend. Dazwischen endlose Stunden und die knackige Wahrheit, wann denn nun eigentlich noch die fehlenden tausend Höhenmeter des Tracks kämen. Sie kamen, reichlich. In den Abendstunden und in der Nacht.


Die letzten hundert Kilometer wurden zur Meisterprüfung. Die endmüde Suche nach der verheißungsvollen Nachttankstelle im dunkelgrauen Nichts. Grelles Neonlicht. Der Geruch von Energy-Drinks und enervierenden Technobeats aus röhrenden Kleinwagen, lautes Saturday-Night-Kichern, verschwitze Glitzershirts, laue Sommernächte. Der Tankstellenkaffee krallte sich ätzend in meinen Magen, wie »Alien 2«, fühlte mich wie Ripley, überhaupt nicht mehr witzig. Der Gorilla grinste mich nur an. Ich war fertig. Aber ich fuhr weiter. Kevin fuhr weiter. Wir fuhren weiter. Um etwa 5.30 Uhr rollten wir in Hamburg an unser selbst gestecktes Ziel. 767 Kilometer in etwa 46 Stunden. Super Berlin Express. Ein äußerst forderndes und wunderschönes Roadmovie, mit feinen Menschen, mit einem sehr feinen Super Kevin. Was kommt als nächstes?

1572 Kilometer in 7 Tagen. BBB1000. Wir haben es tatsächlich geschafft.

Sieben Tage durch wunderschöne Landschaften unserer europäischen Nachbarn. Unglaublich anstrengend und unfassbar schön. Die BBB1000 hat uns einiges abverlangt, uns dafür aber wahnsinnig viiel gegeben. Zum Beispiel große Portionen Pommes und knusprige Croissants und ein Abenteuer, dass wir sicher nicht vergessen werden.
Demnächst gibt es dann auch „BBB1000“ – den Film zur Tour. Bei Vimeo und live in Hamburg auf der BBB1000 Aprez-Party.






Bekloppt? Bemerkenswert? Befremdlich? Gedanken vor dem Start zur BBB1000
Vor ein paar Tagen probierte ich meinen neuen Merino-Sommer-Baselayer von Raphaaaaa an –
früher nannte man das Unterhemd. Das Unterhemd, also, den Baselayer, hatte ich ganz günstig (hüstel) im Raphaaa Store in Kopenhagen erstanden, während wir uns auf den »Rapha Prestige« Ausritt rund um die dänische Hauptstadt einstimmten. Mal abgesehen davon, dass es dort die ganze Zeit dicke Meerschweinchen regnete, ich fünfzig Platten hatte und schließlich kurz vor Ende des Ausritts meiner großen Lust nachkam, in einem Nahverkehrszug den Beförderungskomfort für Fahrräder zu testen, war es eine gute und sportliche Einstimmung für die nächsten großen Fahrradabenteuer.
Während ich mich nun über meinen neuen und super soften Baselayer freute, platzte meine Sonnenkönigin plötzlich ins Zimmer. Sie betrachtete mich mit einem ganz bestimmten Grinsen und fragte schließlich, ob ich im „Gay-Shop“ gewesen wäre. Ich schaute sie betont lässig an und antwortete mit einem lässigen »Ja, wieso?«
Aber, warum erzähle ich an dieser Stelle etwas von einem sexy Unterhemd, statt von den großen Abenteuern die draußen auf den Landstraßen und Pfaden der Welt auf mich warteten? Weil, man bereits im Vorfeld solcher Abenteuer viel Haltung und Mut zeigen muss. Zum Beispiel, um ahnungslosen Anmachsprüchen trotzen zu können. Oder sich in seltsam anmutender Funktionsbekleidung durchs Treppenhaus zu hangeln, um dann den erschrockenen Nachbarn zu begegnen. »Bist Du das? Ich hab‘ Dich gar nicht erkannt …!« Insofern erspare ich den hoch geschätzten Fachleser/-innen jetzt die völlig unqualifizierten Kommentare, als ich mich traute, von meinen Plänen zur BBB1000 zu erzählen.
Anscheinend hängen die Fragezeichen in den Augen der anderen wohl auch damit zusammen, dass ich nicht mehr sechzehn bin und man doch in meinem Alter, sagen wir mal lieber, sportliche Aktivitäten wie zum Beispiel Rasenmähen oder Weinproben unternehmen sollte. Also total völliger Quatsch eben. Und so komme ich doch immer wieder an diesen einen strahlenden Punkt, an dem ich den Schuh aus dem Pedal klicke, auf mein Herz höre, in blaue bis blaugraue Nichts starre und denke »Schön. Sehr schön das alles hier!« Und haargenau so ist es auch. Fast unbeschreiblich gut, die eigene Welt und Zeit aus der Perspektive eines fahrradfahrenden Abenteurers zu entdecken. Etwas zu wagen und zu investieren, etwas zu ertragen, sich herauszufordern. Und besonders glücklicherweise gibt es viele, die ähnlich empfinden.
Und mit ein paar von ihnen, geht es in wenigen Tagen an den Start ins Ungewisse. Also, dass Ziel, nämlich Brügge in Belgien und irgendwann dann wieder in Hamburg-Barmbek ankommen, ist natürlich klar. Aber, ob ich dieses Ziel erreichen werde, ist ungewiss. Abenteuer eben. Dafür habe ich aber einen enorm sexy Baselayer mit hohem Merinoanteil dabei, die beste Regenjacke der Welt, die ich hoffentlich nicht oder höchstens einmal brauchen werde. Und ein Dutzend gute Geister, die das Kribbeln der Welt in ihren Reifen summen hören wollen. Aber, davon später mehr.

BBB1000
Das Super-Sonder-Spezial-Rauszeitabenteuer 2017.
Was im Frühjahr 2016 begann und sich zu einer großartigen Long-Distance-Serie mit ebenso großartigen Ridern entwickelte, geht auch 2017 weiter. Sehr viel weiter. Auf insgesamt 1.444 Kilometern durch Deutschland, Holland, in das Herz von Flandern und auf Abschnitten der »North Sea Cycle Route« wieder zurück nach Hamburg-Barmbek.
Auf unserer Route durch magische Landschaften,
werden wir unter anderem in Oudenaarde, Geraardsbergen und Brügge absolut legendäre Spots und „heilige“ Straßen der Radsportgeschichte erleben. Eddy!!!
Geplant ist, den #BBB1000 mit seinen ca 1.444 Kilometern in höchstens 6 Tagesetappen mit leichtem Gepäck und mit vor Ort gewählten Übernachtungsstopps in Unterkünften/ am Wegesrand und mit ganz viel Pommes zu fahren.
Der Start in Hamburg-Barmbek,
auf dem großen Platz am „Museum Für Arbeit“, erfolgt gemeinsam. Es wird Checkpoints/Challenges geben, die in jedem Fall angefahren/gemeistert werden müssen.
Im Moment beschäftigt sich noch ein hoch motiviertes, achtzigköpfiges Spezialistenteam mit der Ausarbeitung
der BBB1000 Route/des Tracks und den Details*
Da sich aufgrund der Streckenlänge das Peloton in die Länge ziehen und sich sicher auch in unterschiedliche Speed-Flow-Gruppen aufteilen wird, initiieren wir ausreichend vor dem Start eine smarte Teamplanung und ein Pre-Start-Treffen, wo wir uns untereinander abstimmen können. Wer partout nonstop und/oder alleine fahren will, kann das natürlich auch machen – bekommt dann aber keinen Nachtisch/keine Pommes von der Teamleitung!
Alle Up-Dates und weiteren Informationen, z.B. zum Track, zu genauen Zeiten, Checkpoints/Challenges, zu Awards etc., gibt es demnächst hier und auch dort: Facebook-Event
BBB1000 ist eine private, unbegleitete Radtour auf nicht gesperrten Straßen/Wegen und kein Rennen. Es gilt die StVO. Für die Einhaltung dieser Vorschriften bist du als Teilnehmer/-in selbst verantwortlich. Die Teilnahme erfolgt auf eigene Gefahr!
Met een bijzonder vriendelijke groet,
Rick R.
The Super Special Rauszeit-Abenteuer 2017
What started in the spring 2016 and developed into a great long distance series with equally great riders
continues in 2017. Very much further. On a total of 1,444 kilometers through Germany, Holland, the heart of Flanders and on sections of the »North Sea Cycle Route« back to Hamburg-Barmbek.
On our route through magical landscapes,
we will experience absolutely legendary spots and „holy“ streets of race cycling history in Oudenaarde, Geraardsbergen and Bruges. Eddy !!!
It is planned to drive the # BBB1000 with its approx. 1.444 km in a maximum of 6 day stages with light luggage and with selected overnight stops in lodgings / at the edge of the way and with lots of fries.
There will be a joint start in Hamburg-Barmbek, on the large square at the „Museum für Arbeit“, There will be checkpoints / challenges, which must be approached / mastered in any case.
As the peloton will split due to the length of the track, and surely different speed-flow groups, we initiate a smart team planing and a pre-start meeting sufficiently before the start, where we can coordinate among ourselves. If you want to go non-stop and / or on your own, you can of course do it – but in that case you will not get the dessert / no fries from the team management!
All up-dates and further information, e.g. to the track, to exact times, checkpoints / challenges, to awards etc., you will soon find here or there facebook event
BBB1000 is a private, unaccompanied bike ride on unblocked roads / paths and no race. The road traffic regulations apply. You are responsible for compliance with these regulations as a participant. Participation is at your own risk!
Prelude
»Nachtgestalten«

Die letzten Tage eines Jahres.
Die letzten Stunden eines Tages. Wie kleine aufblitzende Wassertropfen im Strom der Zeit geistern die Momente der vergangenen Monate durch meinen Kopf. Die Dunkelheit tut gut. Eine kleine Gruppe cyclistischer Abenteurer auf dem Weg zur Festive 500 in einer Fahrt. Für fünfhundert Kilometer fehlt mir nach Grippe und Konsorten gerade die Kraft. Ein Stück werde ich die Nachtgestalten aber begleiten. Hundertfünfzig Kilometer durch die Nacht.
Die erste Hälfte verging wie im Flug, wie im Rausch. Erwartungsvoll, neugierig, in sich gekehrt, aufgeregt und vorwärts rauschten wir durch die frühe Nacht. Wie meinten noch die drei Herren in der Dorfklause zu dem Unterfangen? »Wenn man sonst nichts zu tun hat.« Besser jedenfalls, als Kola-Korn im Koma-Land.
Der Rückweg dann allein.
Allein mit der Nacht. Allein im Wind. Die dunkle Magie einer Dezembernacht entfaltet ihren seltsamen Zauber. LED-Rentiere leuchten am Horizont, Armeen blinkender Weihnachtsmänner klettern immer noch auf Doppelhaushälften. Drinnen, in den guten Stuben der Dörfer, flackern die Fernseher durch die große weite Welt. Niemand mehr auf den Straßen. Kühles, kaltes Fahrtwindrauschen, sonst nichts.
Dann kommt der Flow der Nacht. Laut spreche ich die queren Namen der unbekannten Dörfer, die ich durchquere. Wrist. Borstel. Aspern. Ich zucke, irgendwo aus dem dunklen Nichts ein lautes „Muh“. Hungrig und durstig rolle ich durch die Nacht. Nach all den Festtagsköstlichkeiten verlangt mein Magen viel öfter nach Nachschub. Gepflegtes Erschrecken des müden Personals, als ich auf einer einsamen Tankstelle einfalle und mich mit Cola und anderen Produkten aus der Feinschmeckerhölle ausrüste. Dann verschwindet die seltsame Nachgestalt wieder auf einem Fahrrad auf der Landstraße. Schwarzer schweigender Asphalt, schnurgerade und bis zum Horizont, nur ich und eine gute Prise Rückenwind. Ich fahre Slalom um die Mittelstreifen.
Nur so. Einfach nur so, weil ich es mag.
Die wenigen Autofahrer,
die noch unterwegs sind, überholen mich in weiten Bögen. Friedlich gestimmt. Gut so. Hundertfünfzig Kilometer weiter unter der heißen Dusche fühlt sich die Welt wunderbar klar und ganz eindeutig wunderschön friedlich an. So kann es weitergehen.

Noch einmal raus
Noch einmal Rauszeit
Das Weihnachtsfinale
291 Kilometer.
1271 Höhenmeter




Rauszeit Spezial Cabin Mountains 291.
Fahrradabenteuer ist, wenn alles anders wird, als gedacht, gewünscht oder geplant. Darum musste Rick Rider auch das Bett mit einer Grippe hüten, während das Rauszeit291 Team in der kalten Dunkelheit die Tour startete. Als hustender Beobachter kann ich an dieser Stelle nur die Erzählungen, Zitate und Berichte der Rider zusammenfassend wiedergeben.
Die Strecke in den Norden Hamburgs, über den Nord-Ostsee-Kanal, durch die Hüttener Berge und wieder zurück, war eine eiskalte Herausforderung. Niedrige Temperaturen, nasskalte Nebelstimmung und ein ambitionierter Rick-Rider-Track über Sandpassagen, unpassierbare Abschnitte und wilde Pisten, forderten die Rider heraus. Es soll darum wohl auch zu vereinzelten Wutausrufen im Wald gekommen sein.
Alle Rider sind nach einem besonders langen Tag, mit den obligaten Pannen und Pausen auf unterschiedlichen Wegen und Arten in den frühen Nachtstunden wieder nach Hamburg zurückgekehrt. Müde, kalt und froh, eine fette Tour geschafft, neue Rekordmarken mit teils über 300K’s gesetzt und neue Grenzen, Menschen und Rider kennengelernt zu haben. Sehr, sehr gut!

Noch ein paar ausführlichere Eindrücke der Rauszeit Spezial lest Ihr in Svenjas Rekordbericht

Rauszeit 600.
Mit dem Fahrrad von Hamburg in den Harz, rauf auf den Brocken, wieder runter und zurück nach Hamburg. Das macht 638,4 Kilometer, 4342 Höhenmeter, 28 Stunden auf dem Fahrrad, in insgesamt drei Tagen. Damit wäre eigentlich alles Wesentliche erzählt, quasi die puren Eckdaten, die Non-Premium-STRAVA-Mathematik.
Rauszeit600: der Film zum Buch
Angesichts der unzähligen sportlichen und abenteuerlichen Rekorde, die uns täglich in unseren Nachrichten, Newsgroups, Newslettern und Kanälen erreichen, könnten wir uns, wenn wir wollten, irgendwo hinten in die Reihe der großen Sporthelden einordnen. Schließlich umrundet – gefühlt – fast täglich jemand zu Fuß oder auf dem Fahrrad den ganzen Globus. So gibt es einige Radsportler und Events da draußen, die auch wir bewundern, die uns inspirieren und motivieren, es eben nicht bei einer üblichen Schönwetter-Radtour ins Grüne zu belassen.
Meine Idee war, mit der Rauszeit600, Grenzen zu erkunden, sportliches und soziales Neuland zu entdecken. Und ich denke, den meisten in unserem überschaubaren „Neun-Frau-Mann-Peloton“ ging es da ähnlich. Dass sich überhaupt neun wagemutige Rider für dieses, Anfang Oktober auch meteorologisch unkalkulierbare Unterfangen, zusammen fanden, war an sich schon eine beachtliche Leistung. Anfangs waren wir sogar zu zehnt. Florian musste dann aber leider aus gesundheitlichen Gründen seine Teilnahme canceln. Trotzdem war er morgens um sieben beim Start dabei und begleitete uns auf den ersten Kilometern.
Neun junge Geister und mittel-/alte Hasen, vereint mit verschwörerischem Abenteuergrinsen, als wir in der Morgendämmerung, auf dem ARA-600-Brevet-Track, die Elbe Richtung Süden überquerten. Still und leise in die Pedale tretend. Und als mich der erste kalte Gegenwind aus dem Windschatten heraus erwischte, die ersten dunklen Wolken heraufzogen und mein Garmin erst sechs Kilometer gefahrene Strecke angezeigte, fand ich meine Rauszeit-600-Idee anmaßend und angeberisch. Mit diesen nicht hilfreichen Gedanken, wurde dann auch die mentale Schlacht dieser Tour eröffnet. Und es sollte eine Schlacht werden. Für alles andere würde es Pommes und Torte und Energieriegel und Wasser und RedBull geben.

Ruhig und freudig, nervös und energetisiert versanken wir tiefer und tiefer in einen gemeinsamen Rhythmus. Eines der Gefühle, die ich sehr mag, der Flow, wenn alles läuft im Team und man, wie ein kleiner, glänzender Schwarm Thunfische über den Asphalt jagt. Unaufhaltsam, nicht mehr einzuholen. Solche und ähnliche Gedanken sind immer die klaren, kleinen Etappensieger in der Mental-Schlacht auf dem Fahrrad. Gerne werden diese dann aber auch wieder vom kleinen Finger zum Beispiel mit noch mehr Gegenwind oder noch mehr Regen weggeschnippt. Gegenwind und Regen hatten wir während der Rauszeit600 reichlich. Also, quasi immer.

Durch und durch nass rollten wir dann auch am ersten Etappenabend nach über 240 Kilometern auf den Hof unserer ersten Herberge im Vorland des Harz. Harald und Mirko hatten sich zuvor ans Werk gemacht, die Nacht zu durchfahren, um das 40-Stunden-Kriterium des AUDAX Reglements für 600er-Brevets anzupeilen. Herrlich, mit solchen Abenteurern und Radsportlern, seine Zeit zu verbringen. Wir restlichen sieben Rider verbrachten eine angenehme Nacht in einer recht bizarren Unterkunft. Unter tausenden von Kaffeekannen und unter genauer Beobachtung ihrer alternden Besitzer, schöpften wir neue Kraft. Unter der heißen Dusche, mit zehntausend von Käse überbackenen Kalorien und trocknender Radhosen auf intakten Heizkörpern.



Die Etappe No. 2
führte uns, natürlich im strömenden Regen, zur großen Bergwertung. Der Berg. Der Brocken. Meine Berg-Premiere auf dem Fahrrad. Als Rennradfahrer, der eher einem reifen André Greipel, als einem jungen Coppi gleichkommt, beschränkte sich meine, in jedem Fall reichlich vorhandene Vorfreude, auf den Berg an sich, und den Plan diesen mit dem Rad zu bezwingen. Als Hamburger und Deichlandfahrer ist der Brocken schon ein echter Riese. Rennradfahrer aus südlichen Regionen werden für diesen „Hügel“ nur ein mildes Lächeln übrig haben. Aber, das ignoriere ich jetz mal an dieser Stelle. Tatsächlich hörte sogar der Regen auf, die Straßen trockneten und wir nahmen die ersten Steigungen am Brocken mit vorfreudiger Energie. Dann trennte sich die Spreu vom Weizen. Ich „spreute“ langsam, aber stetig dem Gipfel entgegen.

Je weiter wir an Höhe gewannen,
desto mehr Menschen begegneten wir. Lahme, Alte, Kranke, Blinde, Hunde-Rudel-Besitzer, Bollerwagen-Zieher, E-Mountain-Bike-Kamikaze-Reiter, Segway-Steher und wir. Alles wollte um jeden Preis nach oben. Zweimal musste ich mein geliebtes und pfeilschnelles Ross ein kurzes Stück schieben, um mit ausdruckslosem Gesicht schwitzende Sonntagswanderer anzustarren.
Endlich oben, empfing uns ein eisiger Sturm und noch mehr Menschen. „Gipfel-Ballermann“. Heldenfotos waren schnell gemacht, danach ging es wieder zurück ins Tal. Jeder Haftpflicht-Unfall-Versicherer hätte unsere Abfahrt sicher gerne in seine PowerPoint-Rhetorik-Show integriert, um seinen mageren Abschlusszahlen raketenartig neuen Aufschwung zu verleihen. Wooooosh.
Es blieb bei einem berauschenden Ritt ohne Zwischenfälle. Am Fuße des Brockens verabschiedeten sich dann Simon, Andreas und David, um in ihrem eigenen Rhythmus non-stop zurück nach Hamburg zu fahren. Unter Tränen ließen wir sie ziehen. Wussten wir doch, dass gerade ohne Simon als Pacemaker, die kommenden Kilometer noch einmal härter werden würden.



Und es wurde härter und derber.
Der Regengott hatte an diesem Tag einen ganz dicken Hals und schüttete uns vier verbliebende Rider zu mit feinstem Harzer Regenwasser aus allen Kanälen. Das Timing hätte nicht schlechter sein können. Wir mussten uns ja noch einige tausend Höhenmeter hochquälen, um diese anschließend in einer Art Wakeboard-Bike-Ride abzusurfen. Wahnsinn. Vor allem eine, über etliche Kilometer reichende Abfahrt, die bei trockener Straße ganz bestimmt ein Traum gewesen wäre, glich nun einer Wasserstraße für Bachforellen. Ich taufte sie „Abfahrt des Todes“ und küsste am Abend meine hydraulischen Scheibenbremsen.
Der Rest des Tages bestand darin, die nassen, eiskalten Füße irgendwie zu ignorieren und sich einigermaßen zivilisiert Kalorien zu zuführen. Der Umstand, dass keiner von uns Schutzbleche montiert hatte, um nicht die elegante Linie seines Velos zu verschandeln, ließ sich gut in unseren Gesichtern ablesen. So und nicht anderes sehen echte Rider und Rennradfahrer/innen aus.


In meiner Mental-Schlacht
stand es derweil unentschieden. Durch den erfolgreichen Gipfelsturm und diverse besiegte Regenstürme und abgehakte Höhenmeter, wuchs mein Selbstvertrauen die „restlichen“ ca. 300 Kilometer schaffen zu können. Aber im Radsport, gerade auf den längeren Distanzen ist nichts wirklich kalkulierbar. Das bekamen wir dann am zweiten Tag auch deutlich zu spüren.
Die Strecke zog sich anstrengend durch die Berge. Regen und Kälte zerrten an unserer Kraft, so dass wir bereits nach etwa 120 Kilometern in Clausthal-Zellerfeld die Bremsfallschirme zogen. Dort erreichte uns auch die Nachricht, dass die vorausgefahrenen Andreas und David aus der Tour aussteigen wollten. Technische Probleme und die miese Witterung hatten bei den beiden leider ganze Arbeit geleistet.


Etappe No.3
wurde für mich zur Do-or-Die-Schlacht. Da unsere Herberge in Clausthal-Zellerfeld zwar gegrillte Steaks im Angebot hatte, dafür aber keine heißen Heizkörper, matschte ich mich am dritten Morgen in die kaltnasse Kleidung, um dann eher automatisch und ferngesteuert mein Fahrrad zu beladen und mich angesichts des Dauerregens irgendwie zum Fahren zu motivieren. Denn anderen ging es sicher ähnlich. Zusammen haben wir uns dann Mut gemacht, sind auf unsere Bikes gesprungen, um die letzten Etappe mit 260 Kilometern in Angriff zu nehmen.
Kilometer reihte sich zäh an Kilometer. Ich hatte das Gefühl, nicht wirklich voranzukommen. Wie es den anderen ging? Wir haben noch nicht darüber gesprochen. Kurz vor Wolfsburg musste dann auch Falko die Tour beenden. Schmerzen in den Sehnen, zwangen ihn, immer langsamer zu werden. Tapfer quälte er sich noch die letzten langen Rampen hinauf, dann verabschiedeten wir ihn an einem romantischen Kreisverkehr im grauen Nichts der Wolfsburger Vorstadt. Nun waren wir nur noch drei. Also, außer Simon, der dann auch noch einen Zwischenstopp in Wolfsburg gemacht hatte und uns sagenhafte achtzig Kilometer voraus war. Simon: schneller als sein Schatten (Und selbst der ist schon verdammt schnell!)





Schlussfahrt.
Unendlich lange und zu unserer Freude, trockene Straßen, bereiteten den Schlussakt der Rauszeit600. Die Geister wurden müder. Das müde Grinsen breiter, ob der wachsenden Zuversicht, die ganze Strecke tatsächlich schaffen zu können. Unsere „Dreier-Beziehung“ funktionierte wie eine Eins. Und so zogen, pushten, pedallierten und kämpften wir uns durch Wälder und Wiesenland und durch unzählige Dörfer. Jeder dieser Orte, wäre einen Besuch oder zumindest eine Pause wert gewesen. Am liebsten hätte ich mich im Abendlicht auf einer sonnenbeschienenen Lichtung in einen Schlafsack gerollt und eine Woche geschlafen. Aber wir mussten weiter. Wir wollten weiter. Mindestens bis zum nächsten großen Hunger oder bis zum nächsten Akku-Tausch.
Ich feierte die Tour-Fortschritte jetzt in Zehner-Kilometerschritten. Also, es waren eher kleine und stille Feiern mit mir selbst. Aber immerhin. Der Duft der Elbe dann, die Deiche im Zwielicht und die aufmunternden Zeilen in unseren digitalem Kommunikationskanälen, mobilisierten unsere letzte Power. Carola flog, zusammen mit den zwei mittelalten Ex-Superhelden, wie ein Jet im St.-Pauli-Jersey und im gleichmäßigen Rhythmus die letzten dicken „K’s“ ab.
Das große Finale
war ein stilles Finale, im dunklen Entenwerder. Dort, wo wie vor drei Tagen gestartet waren. Ein großartiges Erlebnis und Fahrradabenteuer. Gemeinsam mit tollen Radsportlern, feinen Deerns und feinen Kerlen. Grenzen wurden verschoben und neu gesetzt. Rekorde gebrochen. Mentale Schlachten gewonnen. Was bleibt, ist ein ganz eigenes, ganz besonders warmes und gutes Gefühl, etwas Großes geschafft zu haben. Keine Erdumrundung. Aber so ähnlich. tbc.
Rick Rider




#Rauszeit 333
Wir waren mal raus.
Große Rundfahrt.
333 Kilometer
Mud on your face
Grenzwelten
Nachtexpress
Super-Crew

What mud, der Matsch
#Rauszeit333

Raus aus dem Regen
#Rauszeit333

Gravel Travel oder »Killt Rick Rider!«
#Rauszeit333

U-Man
#Rauszeit333

Super-Crew
#Rauszeit333

Sunny side
#Rauszeit333

Serpentine Hitfield
#Rauszeit333

In to the darkness
#Rauszeit333
#Rauszeit 333
Wir waren mal raus.
Große Rundfahrt.
333 Kilometer
Mud on your face
Grenzwelten
Nachtexpress
Super-Crew
»333 Kilometer? An einem Tag? Ich kennen niemanden, der so was macht!« Ich grinste, »Doch, mich!« Das waren so in etwa die Worte von Mrs. Rider, als ich ihr von dem neuen #Rauszeit333 Abenteuer berichtete. Eine Teilnehmerin eines Endurance Rennens in den USA antwortete auf die Frage, warum sie denn die Strapazen eines solchen Rennens auf sich nehme, mit den knappen Worten »Because, I can!« Ok, so genau, wusste ich nicht, ob ich über dreihundert Kilometer an einem Tag mit dem Fahrrad zurücklegen kann. Aber, was weiß man schon vorher im Leben?
Die Idee zu den Rauszeit Abenteuern entstand aus Zufall. Eigentlich wollte ich mit dem Fahrrad zu einer weiter entfernten Familienparty fahren. Von Hamburg ins Weser-Bergland. Zweihundertsechsundvierzig Kilometer. Aus dem Plan wurde nichts. Ich wollte aber meinen Plan für eine extra lange Fahrradfahrt nicht aufgeben. Daraus wurde Rauszeit246. Und in der digitalen Nachbarschaft meiner Fahrradfreunde fanden sich tatsächlich eine Handvoll abenteuerlustiger Mitmacher. Für uns alle würden 246 Kilometer die bisher längste, an einem Tag auf dem Fahrrad zurückgelegte Distanz werden. Gemeinsam haben wir die 246 um die großen Seen östlich von Hamburg in den A* gekickt.
Aus 246 wurde 277 und 333. Dabei war das überhaupt nicht der Plan. Wobei schon von einigen Cyclisten und Fahrradfreaks und Weggefährten gefragt wurde, was denn jetzt als nächstes käme. Weil, es muss ja immer gleich was Neueres und Größeres nachkommen. Und, irgendwie ging es mir ja genau so. Ich stand dort im Abendlicht mit schmerzendem Hintern neben meinem Rad, denke so »Geil, Alter, was biste für ’ne coole Sau! Sieh her, Welt, ich, Rick Rider …! Und so weiter. Aber, nachdem sich das gute und größenwahnsinnige Gefühl gelegt hatte, meldete sich der »Mehr-Mann«. Und was wollte der? Na klar: »Mehr!« Und so fuhr ich 277 Kilometer auf dem Fahrrad. Quer durch Schleswig-Holstein, mit diversen platten Reifen (meine!), mit einer Gruppe wahnsinnig netter und äußerst sportlicher Mitfahrer. Solche Touren sind immer auch soziale Herausforderungen.
Alles dreht und bewegt sich um Teamgeist, gesunde Selbsteinschätzung, Offenheit und auch Gelassenheit. All diese Qualitäten müssen sich irgendwie in ein paar Stunden einstellen. Ansonsten kann es schnell auch doof werden. Wurde es aber nicht. Im Gegenteil.
Die #Rauszeit333 wurde für mich zu einem echten, fetten Meilenstein. Mrs. Rider schüttelte wie immer ihren Kopf. Ich stieg im Morgengrauen in den Sattel um irgendwann tief in der Nacht, am Ende meiner Kräfte ins Bett zu fallen. Die Stunden davor waren gepflastert mit cyclistischer Tiefenmeditation auf scheinbar endlosen Kilometern. Wüste Buckelpisten quer durch den Wald, rauf auf den Wilseder Berg, irgendwie durch die Heide. Dezente Flüche über den GPS-Track, verschwitztes Lachen, dass wir die Gravel-Buckel-Mud-Piste dann doch überlebt haben. Immer weiter. Mit der Dunkelheit wich dann die Kraft in mit. Mein LED-Flasher, der nur als Notlicht dienen sollte, machte mich wahnsinnig. Thank Simon hatten wir einen fetten Strahler am Nabendynamo, der uns dann sicher nach Hause leuchtete. Der Nachtportier an einem Elbhotel schenkte uns noch zwei Buddeln Cola und ein mitleidiges Lächeln. Fahren, wie in Trance, Sekundenschlaf, kurze Träume von Bett und Dusche und ufogroßen Steaks. Schlangenlinien. Die letzten Kilometer waren leicht verstrahlte Kopfsache. Der ganze Tag ein großartiges Abenteuer mit tollen Sportsmännern. #Rauszeit333


#Rauszeit 277
What a fine team
277 Kilometer in to the wild
To be continued …

G-Force
#Rauszeit277

J.B. at its best
#Rauszeit277

Felix Atomix
#Rauszeit277

Simon Speedon
#Rauszeit277

Flo Machine
#Rauszeit277


Es geht weiter
#Rauszeit 277
19. Juni 2016
277 Kilometer

#Rauszeit 277
Micro Elite Edition
Stem/Frame/Tag
Handmade Rewards
For Queens and Kings
of the Mountains


#Rauszeit246
20. Mai 2016
4 Rekordrider
246 Kilometer

